Berechnungsmethodik

Bei der durchgeführten Potenzialanalyse wurde mit Hilfe eines auf Geodaten basierenden Verfahrens das Windenergiepotenzial in Baden-Württemberg ermittelt. Dabei wurden bestimmte technische, infrastrukturelle, rechtliche, wirtschaftliche und ökologische Vorgaben und Annahmen berücksichtigt. Wesentliche Grundlage für die notwendigen Analysen waren dabei überwiegend landesweit verfügbare Geodaten. Lokale Gegebenheiten und Abwägungsentscheidungen können im Rahmen eines solchen landesweiten Berechnungsmodells naturgemäß nicht oder nur bedingt berücksichtigt werden. Die ermittelten Potenziale bilden deshalb keine Planungsgrundlage, sondern dienen der Orientierung und ermöglichen einen strategischen Überblick. Vor dem Beginn konkreter Planungsvorhaben ist in jedem Fall eine detaillierte Einzelfallprüfung erforderlich.

 

Windatlas Baden-Württemberg

Die wesentliche Grundlage für die Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte ist der 2019 neu erstellte Windatlas Baden-Württemberg. Anhand der darin enthaltenen Daten wurden zunächst die Flächen in Baden-Württemberg ausgewählt, deren zu erwartendes durchschnittliches Windaufkommen (sog. "Windhöffigkeit") einen wirtschaftlichen Betrieb neu zu errichtender Windenergieanlagen erlaubt. Als bezüglich der Windhöffigkeit geeignete Flächen wurden alle Bereiche Baden-Württembergs mit einer mittleren gekappten Windleistungsdichte von mindestens 215 W/m² in 160 m Höhe über Grund definiert. Flächen mit einer geringeren Windhöffigkeit wurden im weiteren Verlauf der Potenzialanalyse nicht mehr berücksichtigt (s. Abbildung 1).

Flächen mit einer mittleren gekappten Windleistungsdichte von mind. 215 W/m² in 160 m Höhe über Grund

Abbildung 1: Flächen mit einer mittleren gekappten Windleistungsdichte von mind. 215 W/m² in 160 m Höhe über Grund

 

Kriterienkatalog

Zur Berücksichtigung bestimmter technischer und rechtlicher Aspekte (z. B. bau-, natur-, artenschutz- und immissionsschutzrechtlicher Vorgaben), die bei der Errichtung von Windenergieanlagen beachtet werden müssen, wurde von Umweltministerium und LUBW ein Kriterienkatalog erarbeitet. Dieser umfasst ca. 40 relevante Kriterien für die vier Kategorien "Siedlung", "Infrastruktur", "Freiraum" und "Turbulenzen". Dabei wird zwischen sog. "Ausschlusskriterien" (im Katalog rot hinterlegt dargestellt) und "Restriktionskriterien" (gelb hinterlegt) unterschieden. Innerhalb von Ausschlussflächen dürfen i.d.R. keine Windenergieanlagen errichtet werden. Innerhalb von Restriktionsflächen gibt es unter Umständen bestimmte Einschränkungen, die bei Planung, Errichtung und/oder Betrieb von Windenergieanlagen berücksichtigt werden müssen. Abbildung 2 zeigt beispielhaft einen Ausschnitt Baden-Württembergs mit den zusammengefassten Ausschluss- und Restriktionsflächen. Insbesondere für die Windenergienutzung ausgeschlossene Siedlungs- und Infrastrukturflächen lassen sich darin direkt erkennen.

Ausschlussflächen (rot) und Restriktionsflächen (gelb)

Abbildung 2: Ausschlussflächen (rot) und Restriktionsflächen (gelb)

Für die im Katalog aufgeführten Kriterien stehen landesweit flächendeckend qualitätsgesicherte und aktuelle Geodaten zur Verfügung. Diese ermöglichen die Berücksichtigung der Kriterien in einem GIS-gestützten Analyseverfahren (s. Kapitel Datengrundlagen). Leider sind nicht alle relevanten Informationen landesweit und aktuell verfügbar bzw. quantifizierbar. Aus diesem Grund beruhen die Ergebnisse der Potenzialanalyse und deren kartographische Übersichtsdarstellungen teilweise auf Vereinfachungen. So konnten z. B. geplante Bauflächen, der Denkmalschutz, regionalplanerische Festlegungen (regionale Grünzüge usw.), der nicht gebietsbezogene Artenschutz, Bodenschutzwälder, Erholungswälder mit Rechtsverordnung, militärische Restriktionen sowie der behördliche und private Richtfunk nicht berücksichtigt werden. Naturparke wurden lediglich entsprechend der z. T. überlagernden Schutzgebietsregelungen berücksichtigt.

 

Ermittlung der Windpotenzialflächen

Durch die räumliche Verschneidung der bezüglich der Windhöffigkeit geeigneten Flächen mit den im Kriterienkatalog definierten Ausschluss- und Restriktionsflächen ergeben sich die in zwei Eignungsklassen unterscheidbaren Potenzialflächen (s. Abbildung 3):

  • Bezüglich Windhöffigkeit geeignete Flächen: Flächen mit einer mittleren gekappten Windleistungsdichte von mindestens 215 W/m² in 160 m Höhe über Grund, die nicht innerhalb von Ausschluss- und Restriktionsflächen liegen. In den Karten werden diese Flächen als "geeignet" bezeichnet.
  • Bezüglich Windhöffigkeit geeignete Flächen mit Flächenrestriktionen: Flächen mit einer mittleren gekappten Windleistungsdichte von mindestens 215 W/m² in 160 m Höhe über Grund, die nicht innerhalb von Ausschlussflächen liegen, deren Nutzungsmöglichkeit für Windenergieanlagen aufgrund bekannter Flächenrestriktionen jedoch im Einzelfall besonders zu prüfen ist. In den Karten werden diese Flächen als "bedingt geeignet" bezeichnet.

Windpotenzialflächen ohne (grün) und mit (gelb) Flächenrestriktionen

Abbildung 3: Ermittelte Windpotenzialflächen ohne (grün) und mit (gelb) Flächenrestriktionen

 

Simulationsverfahren zur Verteilung möglicher Windenergieanlagen

Um über Eignung und Flächengröße der ermittelten Windpotenzialflächen hinausgehende Aussagen treffen zu können, wurde mit Hilfe eines bei der erstmaligen Windpotenzialberechnung im Jahr 2012 entwickelten Simulationsverfahrens die Anzahl an Windenergieanlagen abgeschätzt, die rechnerisch maximal innerhalb der ermittelten Potenzialflächen errichtet werden könnten, und im Anschluss der rechnerisch maximale Netto-Jahresstromertrag ermittelt, der mit diesen Anlagen zu erreichen wäre.

Dazu wurde eine Referenzanlage mit einer Nabenhöhe von 160 m und einem Rotordurchmesser von 150 m definiert. Für den rechnerisch maximal erzielbaren Jahresstromertrag dieser Anlage an einem spezifischen Standort wurden die im Windatlas für die Referenzanlagen Vestas V150 mit 4,2 MW und ENERCON E-138 EP3 E2 mit 4,2 MW berechneten Ertragswerte gemittelt. Zur Berücksichtigung von Verlusten, wie z. B. Abschattungseffekte durch benachbarte Anlagen im Windpark oder Betriebseinschränkungen aller Art, wurden von diesem Mittelwert pauschal 10 % abgezogen. Im Ergebnis erhält man den rechnerisch maximalen Netto-Jahresstromertrag.

Die Platzierung der Referenzanlagen innerhalb der Potenzialflächen wurde wie folgt durchgeführt:
Im ersten Schritt wurden Anlagen innerhalb der bezüglich Windhöffigkeit geeigneten Flächen (ohne Flächenrestriktionen) platziert. Dabei wurden zuerst die sich aus den Daten des Windatlas ergebenden Teilflächen mit den höchstmöglichen Jahresstromerträgen (höchste Jahresertragsklasse) belegt, anschließend die Teilflächen der zweithöchsten Jahresertragsklasse usw. Nach Belegung sämtlicher Potenzialflächen ohne Restriktionen durch Anlagen wurde dasselbe Verfahren für die bezüglich Windhöffigkeit geeigneten Flächen mit Flächenrestriktionen durchgeführt.

Um die Verringerung der Windgeschwindigkeiten durch benachbarte Windenergieanlagen und die damit verbundene Ertragsminderung (sog. Parkwiderstand) zu reduzieren, wurde zwischen den zu platzierenden Anlagen ein Abstand des fünffachen Rotordurchmessers in Hauptwindrichtung (in Baden-Württemberg: Süd-West) und des dreifachen Rotordurchmessers in Nebenwindrichtung eingehalten. Entsprechend der definierten Referenzanlage mit einem Rotordurchmesser von 150 m wurde dazu eine Ellipse mit einer großen Halbachse von 750 m und einer kleinen Halbachse von 450 m konstruiert. Diese Ellipse gibt den Abstand zur nächsten theoretisch möglichen Windenergieanlage vor. Bereits bestehende Windenergieanlagen wurden dabei nicht berücksichtigt. Das sich durch Repowering ergebende Potenzial ist somit in die Gesamtbilanz miteinbezogen. Potenzialflächen mit einer Flächengröße von weniger als 0,25 ha wurden bei der Platzierung von Anlagen nicht berücksichtigt. Ein durch den Bau von mehreren benachbarten Anlagen in der Nähe von Siedlungen ggf. notwendiger vergrößerter Schallschutzabstand wurde bei der Potenzialanalyse nicht berücksichtigt, da dieser erst bei der konkreten Planung von Windenergieanlagen bestimmt werden kann.

Abbildung 4 zeigt exemplarisch mehrere unter Berücksichtigung der Abstandsellipsen ermittelte Anlagenstandorte innerhalb von Flächen, die bezüglich Windhöffigkeit geeignet sind (grün), und Flächen, die bezüglich Windhöffigkeit geeignet sind, jedoch Flächenrestriktionen unterliegen (gelb). Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde auf die Darstellung der bei der Platzierung der Anlagen ebenfalls berücksichtigten unterschiedlichen Jahresertragsklassen innerhalb der geeigneten Flächen verzichtet.

Innerhalb von Potenzialflächen ermittelte WEA-Standorte mit den jeweiligen Abstandsellipsen

Abbildung 4: Innerhalb von Potenzialflächen ermittelte WEA-Standorte mit den jeweiligen Abstandsellipsen

 

Aggregation der Ergebnisse auf Gebietseinheiten

Zur Bilanzierung wurden die im Rahmen der Potenzialanalyse ermittelten Ergebnisse (Potenzialflächen, Anzahl rechnerisch maximaler Windenergieanlagen und deren rechnerisch maximaler Netto-Jahresstromertrag) ihrer Lage bzw. ihrem Standort entsprechend der jeweiligen Gebietseinheit zugewiesen. Bei gebietseinheitsübergreifenden Potenzialflächen wurde den Gebietseinheiten der jeweilige Flächenanteil zugeordnet.

Für die Gebietseinheitsebenen Gemeinde, Kreis, Region, Regierungsbezirk und Land liegen die folgenden Informationen jeweils für die bezüglich Windhöffigkeit geeigneten Flächen, die bezüglich Windhöffigkeit geeigneten Flächen mit Flächenrestriktionen und die entsprechende Gesamtsumme vor:

  • Flächengröße der Potenzialflächen,
  • Flächenanteil der Potenzialflächen an der Gebietseinheitsfläche,
  • Anzahl der innerhalb der Potenzialflächen rechnerisch maximalen Windenergieanlagen,
  • rechnerisch maximaler Netto-Jahresstromertrag dieser Windenergieanlagen (s. Abbildung 5).

Im Hauptteil des Energieatlas werden die Daten aus Gründen der Übersichtlichkeit nur für die drei Ebenen Gemeinde, Kreis und Region präsentiert. Im Erweiterten Daten- und Kartenangebot des Energieatlas können die Daten aller Gebietseinheitsebenen ausgewertet werden.

Gemeinden in Baden-Württemberg, eingefärbt nach der Summe des durch Windenergieanlagen möglichen Netto-Jahresstromertrags (in MWh/a).

Abbildung 5: Gemeinden in Baden-Württemberg, eingefärbt nach der Summe des durch Windenergieanlagen rechnerisch maximalen Netto-Jahresstromertrags (in MWh/a)

Weiterlesen im Kapitel "Hintergrundinformationen"

 

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