PV-Potenzial auf Baggerseen (Schwimmende PV)

Für Schwimmende PV-Anlagen (sog. Floating-PV- oder FPV-Anlagen) wird in dieser GIS-gestützten Potenzialanalyse rechnerisch das wirtschaftlich-praktisch erschließbare Potenzial über einen Katalog an abgestuften Restriktionskriterien szenarienbasiert und gewässerteilflächenscharf ermittelt (s. Kriterienkatalog Abbildung 3).

Für jeden gegebenen See werden für Floating-PV potenziell nutzbare Flächen identifiziert und andere gegebenenfalls ausgeschlossen. Diese Studie stellt jedoch keine Vorprüfung auf die Genehmigungsfähigkeit von Bauvorhaben dar und jeder Standort muss vor Ort geprüft werden (Einzelfallprüfung).

Anhand der Erfassung der Teilflächen künstlicher Baggerseen werden über die harten Restriktionskriterien die wirtschaftlich-praktisch erschließbaren Gewässerteilflächen (= Potenzialflächen) bestimmt. Diese werden – nach Abzug abgeschätzter Gewässerrandstreifen – schließlich in geeignete und bedingt geeignete Potenzialflächen unterteilt (s. Abbildung 1). 
Nach Extraktion der wirtschaftlich-praktisch erschließbaren Potenzialflächen folgt eine gewässerspezifische Standortanalyse mit verschiedenen Szenarien.

 

Abbildung 1: Durchführung der Potenzialberechnung

 

Potenziale

Diese Potenzialanalyse basiert auf einer dreistufigen Herangehensweise (s. Abbildung 2). 

Zunächst wird das theoretische Potenzial ermittelt; dieses entspricht der Gesamtfläche aller künstlichen Standgewässer und bildet die physikalischen Grundvoraussetzungen für eine FPV-Nutzung ab. 

Daraus wird das technische Potenzial abgeleitet als prinzipiell installierbaren Anlagennennleistung auf diesen künstlichen Standgewässern – allerdings unter Berücksichtigung grundlegender technischer Restriktionen: Zum einen die Annahme, dass Gewässerrandstreifen durch geringe Wassertiefe oder Pflanzenbewuchs im Wasser und am Ufer eine FPV-Nutzung unmöglich machen; pauschal wurden für diese nicht nutzbaren Randstreifen 10 % der jeweiligen Seefläche veranschlagt. Zum anderen als grundlegende Beschränkung der Flächennutzung, um eine vollständige und dauerhafte Verdunklung der belegbaren Gewässerfläche auszuschließen als Grundvoraussetzung zur Aufrechterhaltung des gewässerökologischen Gleichgewichts des FPV-Standortes.

Abbildung 2: Solarpotenziale und deren Bezug zueinander

Das wirtschaftlich-praktisch erschließbare Potenzial berücksichtigt schließlich dieses technische Potenzial unter Einbeziehung weiterer wirtschaftlicher Kriterien, Nutzungskonflikte und zusätzlicher ökologischer Randbedingungen. Hierbei setzt diese Potenzialanalyse nicht direkt am berechneten technischen Potenzial an, sondern an den per Geoinformationssystem (GIS) bestimmten konkreten Gewässerteilflächen der betrachteten Baggerseen. Aus diesen werden für jedes Gewässer die für eine FPV-Nutzung geeigneten Teilflächen als praktisch erschließbare Potenzialflächen bestimmt. Je nach anzulegenden Kriterien wird hierbei in geeignete und bedingt geeignete Gewässerflächen näher unterschieden. Analog zur Berechnung des technischen Potenzials wird dabei angenommen, dass jede Potenzialfläche 90 % der mit GIS-Methoden bestimmten Teilfläche entspricht. Ein solches pauschales Herausrechnen von nicht-nutzbaren Gewässerrandstreifen setzt voraus, dass das betreffende Gewässer vollständig für FPV genutzt werden kann. Tatsächlich aber beinhalten einige dieser als geeignet eingestuften Baggerseen auch für FPV ungeeigneten Teilflächen. Ebenso konnten Auskiesungen, die erst nach der Erhebung der Daten erfolgten, hier nicht berücksichtigt werden. Aus diesem Grund könnten diese digitalisierten Flächen eventuell von den aktuellen Baggersee-Flächen etwas abweichen.

 

Kriterienkatalog für wirtschaftlich-praktisch erschließbare Standorte

Da die hydrologischen und ökologischen Auswirkungen von FPV-Anlagen auf die Energiebilanz der betreffenden Gewässer bisher kaum wissenschaftlich untersucht sind, werden im Folgenden zusätzlich gewässerspezifische Restriktionskriterien an potenzielle FPV-Standorte angelegt, um daraus die wirtschaftlich-praktisch erschließbare Gewässerflächen zu identifizieren. Dazu wurde ein Katalog von sog. harten und weichen Restriktionskriterien erstellt, welche verschiedenen Nutzungskonkurrenzen, Schäden an Flora und Fauna sowie einer hydrologischen Destabilisierung vorbeugen sollen (s. Abbildung 3). Auf Grundlage dieser Unterscheidung in harten und weichen Restriktionskriterien erfolgt eine gewässerteilflächenscharfe Eignungseinstufung potenzieller FPV-Standorte: Liegen die betrachteten Gewässerflächen innerhalb harter Restriktionsflächen, werden sie als ungeeignet für eine Installation einer FPV-Anlage angesehen. Falls diese Gewässerflächen sich innerhalb weicher Restriktionsflächen befinden, werden diese hingegen als bedingt zur FPV-Nutzung geeignet eingestuft. Eine als geeignet erfolgte Einstufung setzt voraus, dass dort keinerlei Restriktionen zu berücksichtigen sind. 

Diese harten Restriktionskriterien bedingen in Auskiesung befindliche Baggerseen aufgrund des Ausschlusskriteriums "Begonnene oder vollzogene Renaturierung". Zudem greift das Kriterium "Gewässerfläche kleiner 1 ha" an der vollen und nicht an der um Randstreifen bereinigten Seefläche an. Diese harten Restriktionskriterien zum Schutz von Flora und Fauna stellen – ebenso wie die verwendeten hydrologischen Kriterien – Ausschlusskriterien dar, die eine Installation von FPV nach heutigem Stand als unwahrscheinlich erscheinen lassen.

Die weichen Restriktionskriterien zum Schutz von Flora und Fauna erfassen Flächen, welche relevant für den Natur- und Gewässerschutz sind. Allerdings muss dabei die Nutzung durch FPV nicht prinzipiell ausgeschlossen sein. Analog dazu werden durch die harten hydrologischen Kriterien – allein schon aus betriebswirtschaftlichen Beweggründen – essenzielle Aspekte des Hochwasserschutzes priorisiert, wohingegen für die weichen hydrologischen Kriterien die Umweltauswirkungen und Genehmigungsfähigkeit für betreffende Flächen im konkreten Zulassungsverfahren zu prüfen sind. 
Zudem berücksichtigt die Klasse der weichen Restriktionskriterien konkurrierende Nutzungsformen wie Tourismus und Badebetrieb. Auch ökologische Probleme, die in den Baggerseen auftreten können, sind durch die weichen Restriktionskriterien erfasst. 

Nur die morphologischen Restriktionskriterien schließen ganze Gewässer aus der Nutzung als FPV aus; alle anderen Kriterien setzen an Land- oder Seeteilflächen an. So ist es möglich, dass ein sich in Auskiesung befindlicher Baggersee, der größer als 1 ha und tiefer als 5 m ist, gleichzeitig Teilflächen besitzt, die geeignet, bedingt geeignet und ungeeignet für die FPV-Nutzung sind.

 

Abbildung 3: Katalog harter und weicher Restriktionskriterien als Basis der Potenzialanalyse

 

Szenarien und Belegungsdichten

Von 3.103 künstlichen Standgewässern in Baden-Württemberg mit einer Gesamtfläche von 9.116 ha sind 674 Baggerseen (Gesamtfläche 5.916 ha).

Deren wirtschaftlich-praktisch erschließbaren Potenziale werden anhand der in der Tabelle beschriebenen Szenarien berechnet – und zwar gemäß den angelegten harten Restriktionskriterien nur für Baggerseen in Auskiesung. Im Zuge dessen wird das Potenzial – für jedes der drei Szenarien – getrennt für geeignete, bedingt geeignete und für die Summe der geeigneten und bedingt geeigneten Potenzialflächen als gesamtes FPV-Potenzial bestimmt. 

Im Ergebnis werden 69 Baggerseen (Gesamtfläche 2.003 ha) in Auskiesung für eine FPV-Nutzung als geeignet oder bedingt geeignet eingestuft. 

Bei der Berechnung des wirtschaftlich-praktisch erschließbaren Potenzials wird das gewässerökologische Gleichgewicht durch Annahmen für verschiedene Belegungsdichten berücksichtigt. (Mehr zu den Belegungsdichten lesen Sie bei den Hintergrundinformationen)

Hierzu wurden drei Szenarien angenommen:

Bezeichnung Beschreibung
Szenario
100 % BD Min
Potenzialermittlung mittels einer Belegungsdichte von 0,6 MWp/ha ohne Obergrenze bei der Flächenbelegung
Szenario
10 % BD Max
Potenzialermittlung mittels einer Belegungsdichte von 1,2 MWp/ha bei einer max. Belegung von 10 % der Gesamtfläche
Szenario
45 % BD Max
Potenzialermittlung mittels einer Belegungsdichte von 1,2 MWp/ha bei einer max. Belegung von 45 % der Gesamtfläche

Tabelle: Beschreibung der Szenarien zur Erhebung des wirtschaftlich-praktisch erschließbaren Potenzials

 

Ergebnisse der Potenzialberechnung

Die Ergebnisse der Potenzialberechnungen sind in Abbildung 4 dargestellt. Das wirtschaftlich-praktisch erschließbare Potenzial wurde für jedes der drei Szenarien (s. Tabelle) ermittelt und zwar jeweils für geeignete, bedingt geeignete und die Summe beider Potenzialflächen. 

Die Potenziale der bedingt geeigneten Gewässerflächen sind hierbei um ein Vielfaches größer als die der Geeigneten.

Abbildung 4: Ergebnisse der Potenzialberechnung für Baggerseen in Auskiesung (wirtschaftlich erschließbares Potenzial) in Baden-Württemberg

Weiterlesen im Kapitel "Hintergrundinformationen"

 

Bildnachweis: Konstantin Ilgen/Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems ISE